Einspruchsfrist versäumt – was nun?

20.03.2023 |  Der Steuerratgeber - Kolumne im Wirtschaftsteil der Aachener Zeitung/Aachener Nachrichten

Stellen sie sich vor, Sie haben den Grundsteuerwertbescheid oder irgendeinen anderen Steuerbescheid erhalten, befürchten, dass dieser nicht verfassungskonform ist oder stellen gar konkrete Fehler fest, erheben gegen diesen Bescheid fristgerecht postalisch Einspruch und erhalten vom Finanzamt die Nachricht, dass der Einspruch nicht fristgerecht eingegangen sei. Die Postlaufzeit war einfach länger als normal. Was nun?

 

Zur Erklärung muss ich zunächst etwas ausholen. Ein Einspruch gegen einen Steuerbescheid ist nur innerhalb der Einspruchsfrist möglich. Diese beträgt in der Regel einen Monat ab dem Tag der Bekanntgabe des Bescheides. Innerhalb dieses Monats muss der Einspruch – im Normalfall schriftlich oder elektronisch - zum Beispiel auf Papier, per Telefax, per E-Mail oder per Elster beim Finanzamt bis 24:00 Uhr des letzten Tages vollständig eingegangen sein. Bereits eine geringfügige Verspätung – man denke zum Beispiel an eine um 0:01 Uhr beim Finanzamt eingegangene E-Mail - führt zu einer Fristversäumnis.

 

Nun hatten Sie die verzögerte Briefzustellung nicht zu vertreten: Sie konnten damit rechnen, dass der Einspruch nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG bei regelmäßigem Dienstablauf das Finanzamt fristgerecht erreichen würde. Hierfür nimmt man, wenn keine außergewöhnlichen Umstände dagegensprechen, zwei Werktage an. Ihre rechtzeitige Absendung war durch den Poststempel dokumentiert.

 

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Für solche Fälle sieht der Gesetzgeber in der Abgabenordnung eine nützliche Möglichkeit vor, die „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“. Dort heißt es: „War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.“ Voraussetzung ist, dass die Fristversäumnis entschuldigt werden kann, wenn Sie sie also nach den Umständen des Falles trotz angemessener und vernünftiger zu erwartender Sorgfalt nicht verhindern konnten. Bereits bei einem leicht fahrlässigen Verhalten wird der Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt. Stellen Sie einen solchen Antrag und das Finanzamt stimmt ihm aus den vorgebrachten Gründen zu, werden Sie so gestellt, als wenn Sie die Frist nicht versäumt hätten. Wird der Antrag abgelehnt, können Sie auch gegen die Ablehnung Einspruch einlegen.

 

Die Monats- und Jahresfrist

 

Sie müssen jedoch beachten, dass ein Wiedereinsetzungsantrag nur innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden kann. Während bei einer (bis sechswöchigen) Urlaubsabwesenheit oder bei einer schweren und plötzlich auftretenden Krankheit, auf Grund derer Sie und ein Vertreter nicht in der Lage sind, einen Einspruch einzulegen, das „Hindernis“ offenkundig ist, bedeutet dies in Ihrem Fall die Kenntniserlangung über die Fristversäumnis. Ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist ist ein Antrag regelmäßig nicht mehr möglich; ebenso, wenn der Gesetzgeber eine Fristverlängerungsmöglichkeit vorsieht: zum Beispiel bei der Abgabe von Steuererklärungen.

 

Ein weiterer möglicher Anwendungsfall der Wiedereinsetzung ist, sofern ein Einspruch zwar fristgerecht aber irrtümlich beim falschen Finanzamt eingelegt wurde. Das Finanzamt hat in diesem Fall unter Einsatz zeitgemäßer Kommunikationsmittel dafür Sorge zu tragen, dass eine möglicherweise noch laufende Frist eingehalten werden kann, in dem es entweder den Einspruchsführer bzw. seinen Vertreter darauf hinweist oder aber das Einspruchsschreiben umgehend per Fax, eingescannt als E-Mail oder über das besondere elektronische Behördenpostfach an das „richtige” Finanzamt weiterleitet.

 

Kommt das Einspruchsschreiben aber dann erst nach Fristablauf beim richtigen Finanzamt an, so sollten Sie ebenfalls einen Wiedereinsetzungsantrag stellen. Der Erfolg ist jedoch zurzeit noch zweifelhaft und steht beim BFH unter dem Aktenzeichen VIII-R-2/22 auf dem Prüfstand. Folglich gilt hier: im Falle der Ablehnung hiergegen Einspruch einlegen, sich auf dieses BFH-Verfahren beziehen und bis zu dessen Entscheidung das Ruhen des Verfahrens beantragen. So hängen Sie sich an das laufende Verfahren an und können von dem (hoffentlich) positiven Ausgang dieses Verfahrens profitieren.

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