Anscheinsbeweis bei der Versteuerung der privaten Pkw-Nutzung

26.06.2023 |  Der Steuerratgeber - Kolumne im Wirtschaftsteil der Aachener Zeitung/Aachener Nachrichten

 

Die Reglungen zur Versteuerung der privaten Pkw-Nutzung eines Unternehmers bestehen nunmehr bereits seit Jahren. Dennoch werfen einzelne Sachverhalte immer wieder Fragen auf, die letztendlich dann auch die Gerichte beschäftigen.

 

Einleitend seien hierzu ein paar Grundsätze dargestellt: Es ist wahrscheinlich bekannt, dass die Höhe der Privatnutzung eines betrieblichen Pkws mithilfe der 1-Prozent-Regelung oder der Fahrtenbuchmethode ermittelt werden kann. Zwischen diesen Methoden darf ein Unternehmer wählen, sofern das Fahrzeug notwendiges Betriebsvermögen ist. Dies ist der Fall, wenn es überwiegend betrieblich genutzt wird, der betriebliche Nutzungsanteil also mehr als 50 Prozent beträgt.

 

Beträgt der betriebliche Nutzungsanteil weniger als 10 Prozent, darf das Fahrzeug dem Betriebsvermögen gar nicht zugeordnet werden. Es ist dann notwendiges Privatvermögen.

 

Im Bereich von 10 bis 50 Prozent betrieblicher Nutzung hat der Unternehmer ein Wahlrecht, das Fahrzeug seinem Betriebsvermögen zuzuordnen. Der Unternehmer muss in diesem Fall alle Kosten seines Fahrzeugs im Verhältnis der privaten und betrieblichen Nutzung aufteilen und kann im Anschluss daran die auf den betrieblichen Teil entfallenden Kosten als Betriebsausgabe gewinnmindernd berücksichtigen.

 

Die Voraussetzungen der Einordnung des Fahrzeugs in eine dieser Kategorien ist vom Unternehmer darzulegen und glaubhaft zu machen. Dieser Nachweis kann durch Aufzeichnungen über einen repräsentativen Zeitraum von drei Monaten erbracht werden, aber auch in jeder anderen geeigneten Form wie zum Beispiel Eintragungen in Terminkalendern, Reisekostenaufstellungen oder anhand von Abrechnungen gefahrener Kilometern mit Auftraggebern.

 

Fahrzeug ohne Privatnutzung

 

Doch was ist, wenn das Fahrzeug zu 100 Prozent betrieblich genutzt wird? In diesem Fall erfolgt mangels Privatnutzung auch keine entsprechende Versteuerung, so dass alle Kosten des Fahrzeuges den betrieblichen Gewinn mindern.

 

Bei der Einordnung in die letzte Kategorie kommt der Anscheinsbeweis ins Spiel. Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung wird ein zu einem Betriebsvermögen gehörendes Fahrzeug auch privat genutzt. Ist dies jedoch nicht der Fall, muss dieser Anscheinsbeweis erschüttert werden. Hierzu ist der Beweis des Gegenteils nicht erforderlich. Der Unternehmer muss also nicht beweisen, dass eine private Nutzung des Fahrzeuges nicht stattgefunden hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Unternehmer einen Sachverhalt darlegt, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechenden Geschehens darstellt. Dabei reicht es allerdings nicht aus, dass der Unternehmer behauptet, für private Fahrten hätten andere private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden.

 

Im Sachverhalt, den das Finanzgericht Münster zu entscheiden hatte, ging es um einen Gartenbaubetrieb. Das Finanzamt behauptete, der im Betriebsvermögen befindliche Ford Ranger würde auch privat genutzt und beabsichtigte, zur Ermittlung des privaten Nutzungsanteils die 1-Prozent-Methode heranzuziehen. Der Gartenbauer konnte dem Senat des Finanzgerichtes jedoch glaubhaft darlegen, dass er das Fahrzeug bereits aufgrund seiner Größe nicht genutzt habe und dass dieser arbeitstäglich seinen Mitarbeitern als Zugmaschine zur Verfügung stände, sein Privatfahrzeug zwar auch eine Anhängerkupplung, nicht aber die für den Einsatz der übrigen für den Gartenbau erforderlichen Geräte erforderliche Zugkraft besäße. Der Senat des Finanzgerichtes hat bei seiner Überzeugungsbildung auch berücksichtigt, dass er das Fahrzeug aufgrund seiner in Vollzeit ausgeübten nichtselbständigen Arbeit während der normalen Arbeitszeit gar nicht nutzen konnte, bzw. er zur 1,5 km entfernten Arbeitsstelle sein Fahrrad benutzt hat. Auch weitere Punkte konnte der Gartenbauer nachvollziehbar und schlüssig darlegen, so dass das Finanzgericht den Anscheinsbeweis für erschüttert ansah und dem Ansatz einer Privatnutzung eine Abfuhr erteilte.

 

 

Das Finanzamt hat gegen dieses Urteil Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. Sollten Sie vergleichbare Streitpunkte mit dem Finanzamt haben, können Sie sich an dieses Verfahren unter dem Aktenzeichen III-R-34/22 anhängen und vielleicht von einem für Sie günstigen Ausgang des Verfahrens profitieren.

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